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Lebensmittelunverträglichkeit Wenn der Kuchen Bauchschmerzen macht

Ab und zu leichte Bauchschmerzen, Übelkeit oder auch mal Durchfall und Verstopfung sind ganz normal. Treten die Symptome allerdings regelmäßig nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel auf, könnte eine Unverträglichkeit der Auslöser sein. Das bedeutet, dass der Darm Inhaltsstoffe bestimmter Nahrungsmittel nicht vollständig verdauen und abbauen kann oder dass sie eine Allergie auslösen.

Die Symptome einer Lebensmittelunverträglichkeit und einer Lebensmittelallergie können zwar ähnlich sein, dennoch handelt es sich um zwei völlig verschiedene Erkrankungen. Bei einer Unverträglichkeit kann der Körper bestimmte Nahrungsmittel nicht verarbeiten, gar nicht erst aufnehmen oder die Darmbakterien lenken den Abbau auf einen falschen
Weg.

 

„Bei einer Allergie ist das Immunsystem beteiligt und reagiert mit einer Abwehrreaktion des Körpers auf bestimmte Nahrungsmittel“

  Dr. Thomas Patzelt, Ernährungsmediziner und Facharzt für Innere Medizin des MVZ Witten Ärzte Marienplatz

Der Darm reagiert dann typischerweise mit Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. „Bei einer Allergie ist das Immunsystem beteiligt und reagiert mit einer Abwehrreaktion des Körpers auf bestimmte Nahrungsmittel“, erklärt Dr. Thomas Patzelt, Ernährungsmediziner und Facharzt für Innere Medizin des MVZ Witten Ärzte Marienplatz. Hier sind häufig schon kleine Mengen ausreichend, um Reaktionen auszulösen, die von Juckreiz und Rötungen bis hin zu lebensbedrohlichen Atembeschwerden oder Kreislaufproblemen reichen können.

Im Vergleich zu anderen Allergien treten Lebensmittelallergien allerdings seltener auf. Lebensmittelunverträglichkeiten kommen häufiger vor und erfahren in der Gesellschaft immer mehr Beachtung. In ihrer Ausprägung sind sie allerdings sehr individuell. Neben einer Laktose- (Milchzucker-) oder Fruktose- (Fruchtzucker-) unverträglichkeit gehören die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) sowie die Histaminintoleranz zu den häufigsten und geläufigsten Unverträglichkeiten. Nicht unmittelbar dem Darm zuzurechnen, aber im Erscheinungsbild oft ähnlich, ist die Unfähigkeit der Bauchspeicheldrüse, genügend Verdauungsfermente abzugeben.

Laktose- und Fruktoseunverträglichkeit

Laktose und Fruktose sind verschiedene Zuckerarten. Bei einer Laktoseintoleranz vertragen die Betroffenen keine Milchprodukte wie Trinkmilch und Pudding sowie Produkte, die den Milchzucker Laktose enthalten, wie bestimmte Fertignahrungsmittel oder Süßwaren und Gebäck. Viele Käsesorten enthalten übrigens keine Laktose. Bei einer Fruktoseunverträglichkeit können Betroffene den Fruchtzucker (Fruktose), der in Obst, oder aber ebenfalls in Fertignahrungsmitteln zu finden ist, nicht oder nur eingeschränkt über den Dünndarm ins Blut aufnehmen.

Haushaltszucker besteht zu 50% aus Fruktose, daher können zuckerhaltige Produkte grundsätzlich Probleme bereiten. „In beiden Fällen gelangt der Milch- oder Fruchtzucker ungehindert in den Dickdarm, wo die stets bereiten Darmbakterien den Zucker zersetzen“, so Dörthe Mühlenhardt, Ernährungsberaterin der St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr. Dabei entstehen Gase, die zu Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall führen können.

 

„In beiden Fällen gelangt der Milch- oder Fruchtzucker ungehindert in den Dickdarm, wo die stets bereiten Darmbakterien den Zucker zersetzen“

  Dörthe Mühlenhardt, Ernährungsberaterin der St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr

Gluten- und Histaminintoleranz

Eine Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) ist eine Autoimmunerkrankung. Dadurch, dass das Immunsystem das Klebeeiweiß Gluten, das in sehr vielen Getreidesorten enthalten ist, als ‚gefährlich‘ einstuft, reagiert es übermäßig und es kommt zu einer Entzündung der Darmschleimhaut. Das führt zu einer Veränderung der Oberfläche, sodass eine normale Aufnahme von Nährstoffen über den Darm unter Umständen nicht mehr möglich ist. „Die Folgen reichen von Verdauungsbeschwerden bis hin zu Mangelerscheinungen, die aus der verminderten Aufnahme von wichtigen Nährstoffen hervorgehen“, sagt Dörthe Mühlenhardt. Die Unverträglichkeit ist erblich bedingt und kann in jedem Alter auftreten. Es ist möglich, dass Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 auch an Zöliakie erkranken. Dies hat mit der genetischen ‚Verwandtschaft‘ beider Erkrankungen zu tun.

Bei einer Histaminunverträglichkeit (Histaminose) reagiert der Körper mit Verdauungsbeschwerden, aber auch Reaktionen wie Quaddeln auf der Haut, Juckreiz oder Kopfschmerzen auf eine erhöhte Menge Histamin. Histamin ist ein sogenanntes biogenes Amin, also ein Eiweißstoff. Es wird in verschiedenen Zellen des Körpers aus dem Eiweißbaustein (Aminosäure) Histidin gebildet und anschließend in den Zellen gespeichert. In Nervenzellen reguliert Histamin zum Beispiel als Nervenbotenstoff den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Appetitkontrolle oder die Emotionen. Bei einer Unverträglichkeit kann sowohl über die Nahrung aufgenommenes als auch vom Körper selbst gebildetes Histamin problematisch sein, da im Körper dann mehr Histamin anfällt als abgebaut wird. Die Herausforderung bei Lebensmitteln: Histamin kann in vielen Lebensmitteln enthalten sein oder durch eine längere Lagerung gebildet werden. Das gilt zum Beispiel für fermentierte Lebensmittel oder aber auch Lebensmittel, die Histamin im Körper freisetzen, wie z. B. lange gereifte Käsesorten, Fischkonserven oder alkoholische Getränke.

Behandlung hauptsächlich über Ernährungsanpassung

Sowohl eine Fruktose- als auch eine Laktoseunverträglichkeit treten in verschiedenen Ausprägungen auf. Manche Betroffenen vertragen Frucht- oder Milchzucker in geringen Mengen, andere nicht. Die Diagnose einer Unverträglichkeit kann zum Beispiel über einen Atemtest gestellt werden, bei der nach der Einnahme einer Fruktose- bzw. Laktoselösung bestimmte Atemgase gemessen werden können. „Eine Ernährungstherapie besteht nach der Diagnose aus einer zeitlich befristeten, stark eingeschränkten Fruktose- oder Laktosezufuhr, die mit der Zeit in der Regel wieder moderat gesteigert werden kann“, erklärt Dörthe Mühlenhardt. Die verträgliche Menge an Fruktose oder Laktose ist aber immer individuell. Wohlgemerkt: Die minimalen Mengen von Laktose als Hilfsstoff in Arzneimitteln sind in aller Regel verträglich.

Bei einer Glutenunverträglichkeit sieht es etwas anders aus: Gluten bleibt für Betroffene ein Leben lang unverträglich. Um eine Diagnose zu stellen, wird, unter Zufuhr glutenhaltiger Kost, das Blut auf spezifische Antikörper untersucht und eine Gewebeprobe der Dünndarmschleimhaut entnommen. Die Fehlreaktion des Immunsystems auf Gluten ist nicht im medizinischen Sinne heilbar. „Die Behandlung einer Zöliakie kann also nur über einen strikten Verzicht auf Gluten erfolgen“, stellt Dörthe Mühlenhardt klar.

Die Diagnose und Behandlung einer Histaminunverträglichkeit ist bisher noch nicht einheitlich definiert und unter manchen Ärzten umstritten. Um eine Diagnose zu stellen helfen der Ausschluss anderer möglicher Ursachen oder z. B. ein Provokationstest, bei dem der Patient unter ärztlicher Aufsicht absichtlich in einem zeitlichen Abstand steigende Mengen an Histamin zu sich nimmt, um die Reaktion des Körpers zu beobachten. Eine Behandlung ist auch am besten nur durch einen weitgehenden Verzicht auf histaminhaltige Lebensmittel bzw. durch ein Vermeiden auslösender Faktoren möglich. Manchmal kann die Einnahme eines speziellen Enzympräparats zur histaminhaltigen Mahlzeit die Toleranz kurzfristig steigern.

In der Regel sind Lebensmittelunverträglichkeiten für Betroffene mit einem langen Weg bis zur Diagnose und darüber hinaus mit einer intensiven Auseinandersetzung mit den unverträglichen Stoffen verbunden. „Bei allen genannten und darüber hinaus bestehenden Unverträglichkeiten müssen Betroffene ihre Ernährung anpassen und im besten Fall mit Ärzten und Ernährungsberatern planen, um eine Mangelernährung zu verhindern“, sagt Dr. Thomas Patzelt.

 

„Ein erster Schritt in der Behandlung ist ein Verzicht auf das Lebensmittel, das die Intoleranz hervorgerufen hat“

  Dr. Ralf Seul, Kinder-Gastroenterologe und Oberarzt der Kinder- und Jugendklinik des Marien Hospital Witten.

Rund 6 % aller Kinder leiden an Unverträglichkeiten auf bestimmte Nahrungsmittel. Oftmals sind es vor allem Kleinkinder, die von dem Krankheitsbild betroffen sind. Im Laufe des Lebens können sich die Symptome allerdings individuell verändern. Die Diagnosestellung verläuft ähnlich wie bei Erwachsenen, nur, dass häufig zunächst auf eine Lebensmittelallergie getestet wird. „Ein erster Schritt in der Behandlung ist ein Verzicht auf das Lebensmittel, das die Intoleranz hervorgerufen hat“, erklärt Dr. Ralf Seul, Kinder-Gastroenterologe und Oberarzt der Kinder- und Jugendklinik des Marien Hospital Witten.

So bleibt zum Beispiel eine Zöliakie auch bei Kindern  ein Leben lang bestehen und kann auch hier nur mit dem Verzicht auf glutenhaltige Nahrungsmittel behandelt werden. Die Entzündung im Darm verschwindet so in der Regel wieder und die Symptome klingen ab, die Unverträglichkeit bleibt allerdings grundsätzlich bestehen. Leiden Kinder an einer Lebensmittelunverträglichkeit, gilt das Gleiche wie für Erwachsene: Um das Leben so unkompliziert wie möglich zu gestalten, sollte die Ernährung in enger Absprache mit Ärzten und Ernährungsberatern geplant werden.

Ihre Experten

doc

Dörthe Mühlenhardt

Ernährungsberatung
St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr

doc

Dr. med. Thomas Patzelt

Ernährungsmediziner und Facharzt für Innere Medizin
MVZ Witten Ärzte Marienplatz