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Medizinische Redewendungen Was steckt dahinter?

Der Volksmund weiß bekanntlich über viele Dinge Bescheid – auch zu medizinischen und körperlichen Themen gibt es verschiedenste Redewendungen und Weisheiten. Experten der St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr haben sich für uns angeschaut, woher einige dieser medizinischen Redewendungen kommen, was dahintersteckt und ob sie aus medizinischer Sicht zutreffen.

„Ein gebrochenes Herz“

Fast jeder hatte schon einmal Liebeskummer und sich gefühlt, als sei sein Herz gebrochen. Auch wenn der Herzmuskel nicht wirklich zerreißt, sprechen Mediziner bei einer Herzmuskelerkrankung, die nach großem emotionalen Stress auftritt, vom „Broken-Heart-Syndrome“. Dabei handelt es sich um plötzliche Funktionsstörung der linken Herzkammer, die durch starken emotionalen Stress ausgelöst wird. Bei diesen Schockereignissen kann es sich beispielsweise um den Verlust eines geliebten Menschen durch Trennung oder Tod handeln, aber auch freudige Ereignisse wie Hochzeiten oder Lottogewinne sind bekannt. Betroffene erleben ähnliche Symptome wie bei einem Herzinfarkt, weshalb die beiden Erkrankungen verwechselt werden können. Die Patienten leiden an Atemnot und verspüren ein Engegefühl im Brustraum, wo auch starke Schmerzen auftreten. Zusätzlich sinkt der Blutdruck und der Herzschlag beschleunigt sich. Im Gegensatz zu einem Herzinfarkt tritt kein Verschluss des Herzkranzgefäßes auf – schwerwiegende Komplikationen bis hin zum Herztod sind jedoch möglich.

 

„Die herabgesenkte Reizschwelle des Bauch-Nervensystems führt zu einer höheren Empfindlichkeit der Verdauungsorgane und somit leichter zu Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall.“

  Dr. med. univ. Branka ZoricOberärztin der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Witten

„Stress schlägt auf den Magen“

In stressigen Situationen sprechen viele Menschen davon, dass ihnen etwas auf den Magen schlägt und meinen damit ein flaues Gefühl, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Dabei ist es meist egal, ob es sich bei dem Stress um Trauer, Angst oder eine hektische Woche im Büro handelt. Während das Gehirn unterschiedliche Situationen wie z. B. eine Abiturprüfung oder einen Angriff durch ein wildes Tier bewerten und verarbeiten kann, ist das autonome oder unabhängige Nervensystem im Magen-Darm-Trakt nur zu allgemeinen, unspezifischen Reaktionen in der Lage.

Die Reaktion des autonomen Nervensystems fällt somit jeweils gleich aus. Die im Rahmen der Stressreaktion ausgeschütteten Hormone, wie z. B. Adrenalin, wirken nicht nur auf die Durchblutung der Muskulatur oder die Reiz- und Reflexschwelle des Nervensystems, um schnell rennen oder gut rechnen zu können, sie haben auch Auswirkungen auf das autonome Nervensystem im Darm. „Das führt zum einen zu einer verminderten Durchblutung der Verdauungsorgane und einer dadurch gestörten Verdauung – das Blut wird ja in der Muskulatur oder dem Gehirn und nicht zum Verarbeiten der Nahrung benötigt“, erklärt Dr. med. univ. Branka Zoric, Oberärztin der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Witten. „Zum anderen führt die herabgesenkte Reizschwelle des Bauch-Nervensystems zu einer höheren Empfindlichkeit der Verdauungsorgane und somit leichter zu Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall.“ Diese Reaktion des Körpers ist grundsätzlich ungefährlich, treten die Beschwerden aber mehrfach kurz hintereinander auf, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen.

Mehr zum Nervensystem des Darms gibt es hier.

„Da bleibt mir die Spucke weg“

Eine weitere Redewendung, die sich mit körperlichen Prozessen in Stresssituationen beschäftigt. Wem die Spucke wegbleibt, der weiß erstmal nicht, was er sagen soll – häufig bedingt durch Aufregung oder schockierende Situationen. „Die Speichelproduktion leitet die Verdauungsprozesse ein und dient vor allem dazu, das Essen in den Magen weiterzuleiten sowie Viren und Bakterien abzutöten“, erklärt Dr. Viktor Rempel, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie des St. Anna Hospital Herne. Gesteuert wird dieser Vorgang über unwillkürliche Prozesse des vegetativen Nervensystems. Bleibt die Spucke hingegen weg, liegt das vor allem am sogenannte Sympathikus, der den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Die Nebenniere produziert dann vermehrt das Stresshormon Cortisol. „In diesem Fall fährt der Körper viele Prozesse auf das Nötigste herunter. Der Speichelfluss wird reduziert, da der Verdauungsvorgang in diesem Moment unwichtig ist und verlangsamt wird“, so Dr. Rempel.

„Das Blut stockt in den Adern“

Gerade Fans von Horrorliteratur und -filmen kennen den Ausdruck „ihm stockte das Blut in den Adern“. Was sich wie eine übertriebene Darstellung eines Schocks anhört, hat tatsächlich einen medizinischen Hintergrund. „Blut gerinnt in Stress- und Paniksituationen schneller“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Hans-Jörg Hippe, Chefarzt der Kardiologischen Klinik des Marien Hospital Witten. Denn in Angstsituationen produziert der Körper vermehrt das körpereigene Protein Fibrin, das für die Blutgerinnung – also die Verfestigung des Blutes – zuständig ist.

 

"In vermeintlich gefährlichen Situationen verdickt sich das Blut und 'stockt' in den Adern."

  Priv.-Doz. Dr. Hans-Jörg HippeChefarzt, Kardiologische Klinik, Marien Hospital Witten

So werden normalerweise offene Wunden durch Fibrinfäden, an denen die Blutplättchen kleben bleiben, verschlossen. In einer Paniksituation produziert der Körper vermehrt Fibrin, um die Blutgerinnung zu beschleunigen – ein evolutionsbedingter Vorgang, der dafür sorgen soll, gefährliche Situationen ohne großen Blutverlust zu überleben. „Daher verdickt sich das Blut in vermeintlich gefährlichen Situationen und ‚stockt‘ in den Adern“, erklärt der erfahrene Kardiologe.

„Gift und Galle spucken“

Wer sich sehr über etwas ärgert, dem kommt sprichwörtlich die Galle hoch oder er spuckt im schlimmsten Fall Gift und Galle. Die Galle steht also für Ärger und Aggression – die Gleichsetzung mit Gift stammt ursprünglich aus dem Alten Testament. „Früher glaubte man zudem, dass Wut etwas mit der Galle zu tun habe. Daher ging man in der sogenannten ‚Viersäftelehre‘ davon aus, dass Choleriker zu viel Galle in sich hätten “, so Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.

 

"Früher ging man davon aus, dass Choleriker zu viel Galle in sich hätten."

  Prof. Dr. Timm WesthoffDirektor, Medizinische Klinik I, Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

Medizinisch betrachtet handelt es sich bei der Galle um einen Verdauungssaft, der in der Leber hergestellt wird und die Aufnahme von Fetten in den Körper unterstützt. Gibt es gerade nichts zu verdauen, wird der Gallensaft in der Gallenblase zwischengespeichert und eingedickt.

Die Gallenflüssigkeit besteht hauptsächlich aus Mineralstoffen, Wasser, Fettresten, Cholesterin sowie Abfallprodukten aus der Leber, die auf diesem Wege aus dem Körper ausgeschieden werden. „Ändert sich diese Zusammensetzung, können sich kleine Kristalle in den Gallengängen bilden, aus denen Gallensteine entstehen“, so Prof. Westhoff. Wird der Abfluss der Galle durch einen Stein blockiert, versucht der Körper, durch Zusammenziehen der Gallenwege, das Hindernis zu beseitigen.

“An apple a day keeps the doctor away”

Hierbei handelt es sich um eine englische Redewendung, die aber auch in Deutschland allgemein bekannt ist. Das Sprichwort spielt darauf an, wie gesund es ist, täglich einen Apfel zu essen. Denn Äpfel enthalten viele Vitamine und Mineralstoffe. Sie versorgen den Körper zudem mit Kalium, das an vielen verschiedenen Prozessen im Körper beteiligt ist, und Vitamin C. Hinzu kommt der Ballaststoff Pektin, der für ein längeres Sättigungsgefühl sorgt und – wie alle Ballaststoffe – die Verdauung fördert. Darüber hinaus enthalten Äpfel sekundäre Pflanzenstoffe, wie zum Beispiel die sogenannten Flavonoide, die Entzündungen hemmen, das Immunsystem stärken und sogar das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senken sollen. Auch Bakterien im Mundraum werden durch den Verzehr von Äpfeln abgetötet.

 

"Ein Apfel alleine macht nicht gesund."

  Dörthe MühlenhardtErnährungsberaterin, St. Elisabeth Gruppe

„Allerdings sind diese Inhaltsstoffe auch in vielen anderen Lebensmitteln, zum Teil in höheren Mengen, enthalten“, erklärt Dörthe Mühlenhardt, Ernährungsberaterin der St. Elisabeth Gruppe. So ist der Gehalt an Vitamin C in Johannisbeeren, Paprika oder Rosenkohl deutlich höher.

Auch sind Flavonoide in vielen anderen Obst- und Gemüsesorten enthalten. Pektine haben wie alle Ballaststoffe auch einen positiven Einfluss auf unsere Darmflora und damit auf die Gesundheit. Der regelmäßige Verzehr von Vollkornbrot trägt aber noch mehr zur Ballaststoffaufnahme bei als Obst. Auch der Kaliumgehalt von Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Bananen und Pilzen ist deutlich höher als der von Äpfeln. „Der Apfel kann dieser Redewendung als alleiniges Lebensmittel also nicht standhalten“, so Mühlenhardt. Grundsätzlich tragen Äpfel aber einen Teil zu einer gesundheitsfördernden Ernährung bei.

Ihre Experten

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Prof. Dr. Timm Westhoff

Direktor, Medizinische Klinik I - Allgemeine Innere, Nephrologie, Gastroenterologie, Pneumologie
Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
Fon 0 23 23 - 499 - 16 71
innere-medizin@marienhospital-herne.de

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Dr. med. Viktor Rempel

Chefarzt

Klinik für Gastroenterologie
St. Anna Hospital Herne

Fon 02325 986-2151

gastroenterologie@annahospital.de

 

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Priv.-Doz. Dr. Hans-Jörg Hippe

Chefarzt
Kardiologische Klinik
Marien Hospital Witten
Fon 02302 173-1303
kardiologie@marien-hospital-witten.de

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Dr. med. univ. Branka Zoric

Oberärztin
Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Pneumologie
Marien Hospital Witten
Fon 0 23 02 - 173 - 13 71
innere-medizin@marien-hospital-witten.de

 

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Dörte Mühlenhardt

Ernährungsberatung
St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr