Darm und Gehirn

Öfter mal aufs Bauchgefühl hören Ist der Darm das neue Gehirn?

Während wir das Gehirn meist als das komplexeste und wichtigste Organ loben, vermeiden wir es eher über den Darm und seine Inhalte zu sprechen. Dabei ist dieser ein völlig unterschätztes Organ. Als Heimat eines komplexen Systems mit mehr Nerven als im Rückenmark beeinflusst er unser Wohlbefinden, steuert unsere Emotionen und ist für Krankheiten wie Depression und Autismus mitverantwortlich. Was befähigt den Darm dazu? Und wie man mit seiner Hilfe Krankheiten vorbeugen?

Wenn wir uns nicht in der Lage fühlen, eine rationale Entscheidung zu treffen, vertrauen wir auf unser Bauchgefühl. Im Rahmen der Mikrobiomforschung bekommt dieser Begriff nun eine ganz neue Bedeutung, denn neueste Untersuchungen zeigen, dass Darm und Gehirn ständig miteinander kommunizieren und sich wechselseitig beeinflussen. Möglich ist das dank der Darmflora, auch Darmmikrobiom genannt. In der circa 1,3 Kilo schweren Masse, die aus verschiedenen Darmzellen, Nervenzellen und Billionen von Bakterien besteht, finden unterschiedlichste Prozesse statt: Neben der Verdauung beeinflussen die Mikroorganismen auch unser Immunsystem, unseren Stoffwechsel und verschiedene Krankheiten. Auch auf unsere Stimmung kann der Darm Einfluss haben.

Mehr Informationen zu den Aufgaben des Darms.

Wie funktioniert die Darm-Hirn-Kommunikation?

Hauptverantwortlicher für diese Prozesse ist das enterische Nervensystem, kurz ENS. Es koordiniert die Verdauung komplett autark, indem es zum Beispiel den Speisebrei weiterschiebt und Verdauungsenzyme ausschüttet. Dieses komplexe Netzwerk besitzt mehr Nervenzellen als das Rückenmark und sammelt seine Informationen auf einer Fläche, die 200 Mal größer ist als unsere Haut. Diese Besonderheiten haben das ENS in den letzten Jahren zu einem beliebten Forschungsgegenstand gemacht und ihm die Bezeichnung „zweites Gehirn“ eingebracht. Auch die Kommunikation mit dem Gehirn erfolgt über das ENS. Dies geschieht über den Vagusnerv, dem längsten unserer zwölf Hirnnerven.

 

„Die Darmwände werden durchlässiger, der Dickdarm gibt mehr Wasser und Schleim ab und durch die Magen- und Darmschleimhaut fließt mehr Blut. In der Folge bekommen wir beispielsweise Bauchkrämpfe oder Durchfall.“

  Dr. Viktor Rempel, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie des St. Anna Hospital Herne

So haben bereits zahlreiche Laborversuche belegt, dass sich Stress auf die Verdauung auswirkt. Wenn das Gehirn Stresshormone wie Cortisol und Noradrenalin ausschüttet, wird ein Signal über den Vagusnerv ins ENS geleitet, das den Darm in den Stressmodus schaltet: „Die Darmwände werden durchlässiger, der Dickdarm gibt mehr Wasser und Schleim ab und durch die Magen- und Darmschleimhaut fließt mehr Blut. In der Folge bekommen wir beispielsweise Bauchkrämpfe oder Durchfall“, erklärt Dr. Viktor Rempel, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie des St. Anna Hospital Herne.

Kann unser Darm uns krank machen?

Werden Stress, Angst oder Wut chronisch, kann der Darm dauerhaft aus dem Gleichgewicht geraten und uns krank machen. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass bei Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie und Autismus charakteristische Veränderungen im Mikrobiom der Patienten vorliegen. Auch bei chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa haben Untersuchungen ergeben, dass die Vielfalt der mikrobiellen Darmbewohner eingeschränkt ist. Amerikanische Forscher konnten zudem nachweisen, dass das für die Parkinson-Erkrankung verantwortliche α-Synuclein-Protein aus dem Verdauungstrakt über den Vagusnerv ins Gehirn gelangt.

Wie halte ich meinen Darm gesund?

Ob durch Veränderungen im Darm Krankheiten geheilt werden können, lässt sich zum jetzigen Stand der Forschung nicht sagen. Wir können aber den Darm vorbeugend gesund halten. Dabei gilt folgendes: „Je vielfältiger unser Darmmikrobiom, desto gesünder und widerstandsfähiger sind wir“, so Dr. Johannes Schweinfurth, Leitender Arzt der Gastroenterologie im Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum. Die Grundlage der Ernährung sollte pflanzlich sein, Fleisch am besten fettarm und nicht aus Massentierhaltung. Fett, Zucker und Zuckerersatz werden nur in Maßen empfohlen. Grundsätzlich gilt: je weniger verarbeitete Lebensmittel desto besser.

 

„Je vielfältiger unser Darmmikrobiom, desto gesünder und widerstandsfähiger sind wir.“

  Dr. Johannes Schweinfurth, Leitender Arzt der Gastroenterologie im Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
 

„Probiotika gehören zu den gesundheitsförderlichen Mikroben und tragen dazu bei, die Darmbarriere zu stärken und krankmachende Erreger in Schach zu halten.“

  Dr. med. univ. Branka ZoricOberärztin der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Witten.

Wer seinem Darm darüber hinaus etwas Gutes tun möchte, kann es mit dem Verzehr von fermentierten Produkten versuchen. Fermentation nennt man das Haltbarmachen von Lebensmitteln mit Hilfe guter Bakterien, wie beispielsweise Probiotika. So werden lebende Bakterien und Hefepilze bezeichnet, die in milchsauren Produkten wie Joghurt, Kefir oder Sauerkraut vorkommen. „Sie gehören zu den gesundheitsförderlichen Mikroben und tragen dazu bei, die Darmbarriere zu stärken und krankmachende Erreger in Schach zu halten“, so Dr. med. univ. Branka Zoric, Oberärztin der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Witten. Ansonsten heißt es vor allem: Stress und andere negative Gefühle weitgehend vermeiden, um den Darm gesund zu halten und chronische Erkrankungen zu vermeiden.

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Dr. med. Viktor Rempel

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Dr. med. univ. Branka Zoric

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