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Zwischen Social Distancing und Nachrichtenflut Wie wirkt sich die Coronakrise auf die Psyche aus?

Keine Restaurantbesuche, keine Veranstaltungen, kein Treffen mit Freunden. Stattdessen zu Hause bleiben und Abstand halten – die Coronakrise hat unser gesellschaftliches Leben in seinen Grundfesten erschüttert. Die Folgen sind eine fehlende Struktur, Einsamkeit und Verunsicherung durch die Allgegenwärtigkeit der Krise in den Nachrichten. Wie genau sich das alles auf uns auswirkt und wie wir uns psychisch gesund halten können verrät der folgende Beitrag.

Soziale Distanz muss nicht zu Einsamkeit führen

Soziale Distanz ist notwendig, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten, hat aber auch Auswirkungen auf unser psychisches Wohlbefinden. Menschen sind soziale Wesen, darin sind sich Psychologen einig. Der Grund dafür, liegt in unseren Genen: In der Steinzeit hatte das Zusammenleben in Gruppen zum Beispiel den Vorteil, dass unsere Vorfahren sich besser gegen Fressfeinde verteidigen konnten. Wie genau sich das Alleinsein in der Coronakrise auf die Psyche auswirkt, ist noch nicht erforscht, schließlich gab es eine solche Situation bisher noch nicht. Dass aber soziale Distanz negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann, haben bereits zahlreiche Studien in anderen Kontexten gezeigt. „Die Beschränkungen in Coronazeiten bergen gerade für Menschen, die alleine leben, die Gefahr sich zu isolieren und zu vereinsamen. Daher ist es wichtig, Alternativen zu finden, um mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu bleiben“, so Dr. Peter W. Nyhuis, Chefarzt und Ärztlicher Direktor des St. Marien Hospital Eickel. Besonders Videotelefonate sind hier empfehlenswert, da man hierbei einerseits die Möglichkeit hat, mit mehreren Personen gleichzeitig zu sprechen und andererseits Freunde und Familie nicht nur hören, sondern auch sehen kann.

Strukturen schaffen

Auch eine fehlende Struktur bereitet vielen Menschen Probleme. Ohne geregelten Tagesablauf werden einige unruhig oder gar lethargisch und vernachlässigen selbst die Dinge, die sie auch zuhause machen können, wie etwa Hausarbeit oder Sport. Es besteht auch die Gefahr, sich zurückzuziehen und soziale Kontakte selbst über Internet und Telefon zu vermeiden. „Damit das nicht passiert, ist es wichtig, Routinen weitgehend zu erhalten und wo dies nicht möglich ist, neue Routinen zu schaffen“, empfiehlt Dr. Nyhuis. Zum Beispiel ist es ratsam, immer zur selben Uhrzeit aufzustehen, die Mahlzeiten immer zur selben Zeit einzunehmen oder sich anzuziehen als ginge man ins Büro, auch wenn man im Homeoffice ist.

Die freie Zeit sinnvoll nutzen

Ein weiteres Problem, das die Einschränkungen des Soziallebens mit sich bringt: Langeweile. Besonders für sehr aktive Menschen ist es schwer, nichts zu tun zu haben. „Dauert die Langeweile über einen längeren Zeitraum an, kann sie zu Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen führen“, verrät Dr. Nyhuis. Daher ist es ratsam, Langeweile aktiv zu bekämpfen. Wer gerne Sport macht, sollte versuchen, diesen auch weiterhin in seinen Tagesablauf zu integrieren. Darüber hinaus ist die Coronakrise genau die richtige Zeit, um liegengebliebene Dinge zu erledigen. Wie wäre es etwa damit, den Keller endlich aufzuräumen? Oder dieses eine Buch zu lesen, das man immer schon mal lesen wollte? Auch neue Hobbys wie Backen oder Malen auszuprobieren wirkt der Langeweile entgegen.

Sich von der Nachrichtenflut nicht überrollen lassen

In den Medien ist Corona das vorherrschende Thema. In den Tageszeitungen findet kaum etwas anderes Platz auf den Titelseiten, ganze Sonderseiten berichten von tagesaktuellen Veränderungen in Deutschland und der Welt. Im Fernsehen gibt es Sondersendungen zur Coronakrise und auch in den sozialen Medien dreht sich alles um das Virus. Diese Allgegenwärtigkeit führt bei vielen Menschen zu Verunsicherung und Stress. „Bei Personen, die eher sensibel auf negative Nachrichten reagieren, birgt ein erhöhter Nachrichtenkonsum die Gefahr für Depression, Panikattacken oder Angststörungen. Daher gilt es, die richtige Balance zwischen dem Informieren über neue Regelungen und Gesetze und dem zu starken Konsum an Nachrichten zu finden. Am besten konsumiert man Medien täglich in einem begrenzten Zeitraum, damit die Gedanken nicht ständig um Corona kreisen. Zudem sollte man sich auch mit anderen Dingen beschäftigen, um sich abzulenken“, rät Dr. Nyhuis. Darüber hinaus ist es wichtig, ein Gefühl für Falschmeldungen zu entwickeln. Denn diese sogenannten „Fake News“ verbreiten sich, wenn Menschen sich verunsichert fühlen, besonders stark und steigern nicht nur die Unsicherheit, sondern führen auch schnell zu Angst und Panik. Häufig reicht schon eine kurze Recherche, um Fake News auf die Schliche zu kommen. Darüber hinaus sollte immer auf die Quellen und zudem genau darauf geachtet werden, woher die Informationen aus dem Artikel oder Post stammen.

Für einige besonders schwer

Für Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder auch Suchterkrankungen ist die Situation besonders schwierig. Depressive Menschen können sich in der Coronakrise vielfach zurückziehen. Eine große Gefahr ist das Grübeln. Sie geraten in negative Gedankenspiralen. Suchtkranke neigen ohne ihren gewohnten Tagesablauf dazu, ihr Suchtverhalten stärker als sonst auszuleben. Auch für Menschen mit Psychosen ist die Situation ernst. Ein geregelter Tagesablauf und Zuwendung lenken sie sonst von ihren Symptomen ab. In Zeiten sozialer Isolation ist die Ablenkung kaum gegeben. „Gleiches gilt für ältere Menschen und besonders für Betroffene, die an Demenz leiden. Ohne soziale Kontakte und Beschäftigung drohen sie geistig weiter abzubauen“, erklärt Dr. Nyhuis.

10 Tipps für den Umgang mit der Coronakrise

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  • alternative Möglichkeiten finden, um mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben, z. B. per Videochat
  • Struktur in den Alltag bringen, indem man bestimmte Dinge immer um dieselbe Zeit erledigt
  • nicht zu viele Nachrichten konsumieren. Am besten feste Zeiten für Nachrichten und soziale Medien einplanen
  • Quellen hinterfragen, um Fake News keine Chance zu geben, sich von ihnen runterziehen zu lassen
  • sich sozial engagieren, z. B. indem man für den Nachbarn einkaufen geht
  • freie Zeit sinnvoll nutzen, z. B. indem man liegengebliebene Dinge im Haushalt erledigt
  • sich geistig beschäftigen, z. B. indem man ein Buch liest oder ein neues Hobby ausprobiert
  • an die frische Luft gehen. Spazierengehen ist auch mit Abstand möglich
  • Sport machen, z. B. Joggen oder Gymnastik
  • Positiv denken! Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man nicht alleine mit der Situation ist und die Krise irgendwann vorbei sein wird

 

Ihr Experte

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Dr. Dr. Peter W. Nyhuis

Chefarzt und Ärztlicher Direktor
St. Marien Hospital Eickel
Fon 02325 - 374 - 140
peter.nyhuis@elisabethgruppe.de