Häufiger Harndrang: Wie oft ist der Gang zur Toilette normal?

Häufiger Harndrang Wie oft sollte man "müssen" müssen?

„Können wir bitte anhalten? Ich muss mal…“ – während der eine kaum eine Stunde im Auto sitzen kann, ohne zur Toilette zu müssen, fährt der andere von München nach Köln, ohne auch nur eine Raststätte anzusteuern. Wie oft Menschen „müssen“ müssen, ist sehr unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig. Doch wie oft am Tag ist der Gang zur Toilette eigentlich normal und wann sollte man einen Arzt aufsuchen? Hier gibt es alle Informationen zum Thema "häufiger Harndrang".

Die Harnblase ist ein wichtiges Organ im menschlichen Körper, da sie den Urin speichert, bevor er ausgeschieden wird. Wenn die Blase sich füllt und somit ausdehnt, registrieren dies die Nerven in ihrem Inneren und senden dem Gehirn das Signal, dass die Blase voll ist. Wie viel Flüssigkeit die Blase speichern kann, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Unter anderem entscheiden das Geschlecht und die Körpergröße über das Fassungsvermögen. So kann eine männliche Harnblase etwa 700 Milliliter, eine weibliche nur rund 500 Milliliter Urin speichern. Der Harndrang setzt jedoch nicht erst dann ein, wenn die Blase bis zum Rand gefüllt ist, sondern bereits ab einer Füllmenge von 250 bis 300 Millilitern. Folgt man dem Drang und geht schließlich zur Toilette, zieht sich der Blasenmuskel zusammen und die Schließmuskeln am Blasenboden entspannen sich. So kann der Urin über die Harnröhre abfließen und die Blase entleert sich.

 

 „Bei der empfohlenen Trinkmenge von 1,5 bis zwei Litern am Tag, sind rund 5 bis 7 Toilettengänge am Tag und gegebenenfalls einer während der Nacht normal. „Dies entspricht einem Gang alle 3 bis 6 Stunden.“

  Valentin Menke, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des St. Anna Hospital Herne

Der gesunde Durchschnitt

Wie oft ein gesunder Mensch am Tag zur Toilette gehen muss, hängt letztendlich von der Flüssigkeitszufuhr und dem individuellen Fassungsvermögen seiner Harnblase ab. „Es gibt keine universell gültige Empfehlung, wie oft man die Toilette aufsuchen sollte. Bei der empfohlenen Trinkmenge von 1,5 bis zwei Litern täglich wären circa fünf bis sieben Toilettengänge am Tag und gegebenenfalls einer während der Nacht der Durchschnitt“, erklärt Valentin Menke, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des St. Anna Hospital Herne. „Dies entspricht einem Gang alle drei bis fünf Stunden.“ Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der täglichen Blasenentleerungen leicht an. Auch Schwangere verspüren beispielsweise häufiger Harndrang durch die hormonelle Umstellung und den Druck, den die wachsende Gebärmutter auf die Blase ausübt.

Weniger ist nicht immer mehr

Wer nur selten zur Toilette muss, könnte meinen, dass er sich glücklich schätzen kann. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. „Sehr wenige Toilettengänge am Tag könnten unter Umständen ein Anzeichen für ein Nierenproblem sein“, berichtet Prof. Dr. Clemens Tempfer, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Marien Hospital Herne. „Wenn man stets ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt, und dennoch nicht zur Toilette muss, sollte in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden, um die Ursachen abzuklären.“

Die überaktive Blase

Vorrangig bei Frauen kommt es jedoch häufig vor, dass die äußerst sensiblen Sensoren in der Blasenwand bereits sehr früh Meldung an das Gehirn geben, dass die Blase voll ist und sich die Blasenmuskulatur ständig zusammenzieht. Das Ergebnis ist oft ein schwer zu kontrollierender häufiger Harndrang. „Hierbei sprechen wir von einer sogenannten überaktiven Blase oder Reizblase“, berichtet Prof. Dr. Joachim Noldus, Direktor der Urologischen Klinik des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum. „Betroffene müssen ihre Blase neun bis zehn Mal am Tag oder sogar öfter und gegebenenfalls auch mehrmals in der Nacht entleeren, obwohl sie nur wenig gefüllt ist und immer nur geringe Mengen Urin ausgeschieden werden. Es kann auch vorkommen, dass der Drang selbst nach der Entleerung bestehen bleibt.“ Eine überaktive Blase lässt sich mit unterschiedlichen Methoden behandeln. „Es gibt zum einen verschiedene Medikamente, die bei der Therapie der Reizblase zum Einsatz kommen können, aber auch eine Verhaltenstherapie kann zum Erfolg führen. Dabei wird die Blase trainiert und versucht, den Entleerungsrythmus positiv zu beeinflussen. Bei der sogenannten Elektrotherapie werden mittels Elektroden die Nerven stimuliert, was zu einer Beruhigung der Blase führt“, so der Mediziner. „In ganz seltenen Fällen kann auch eine Operation notwendig sein, bei der die Blase vergrößert wird.“ 

Auch andere Ursachen können dazu führen, dass ein Betroffener zu häufig Harndrang verspürt. Hierzu zählen beispielsweise eine Blasenentzündung, eine gutartige Prostatavergrößerung beim Mann, Diabetes, Harnsteine und vieles mehr. Der Besuch beim Arzt kann hier für Klarheit sorgen.

Wenn es kein Halten mehr gibt

Sollte man den Urin gar nicht mehr halten können und es zu ungewolltem Harnverlust kommen, spricht man von einer sogenannten Inkontinenz. „Es gibt zahlreiche Ursachen, die zu einer Inkontinenz führen können“, so Prof. Dr. Sven Schiermeier, Direktor des Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der St. Elisabeth Gruppe an den Standorten Witten und Wanne-Eickel. „Sie sollte in jedem Fall von einem Arzt behandelt werden. Leider ist Harninkontinenz für viele Menschen noch immer ein Tabu-Thema, obwohl rund acht Millionen Menschen in Deutschland davon betroffen sind. Die Lebensqualität ist bei vielen Betroffenen stark beeinträchtigt – nicht zuletzt, weil das soziale Leben unter den Beschwerden leidet. Die gute Nachricht ist jedoch, dass Inkontinenz sehr häufig heilbar ist.“ Sowohl Männer als auch Frauen können unter Inkontinenz leiden, wobei sie bei Frauen aufgrund ihrer anatomischen Gegebenheiten häufiger auftritt. „Der weibliche Beckenboden muss mehr Druck aushalten, als der männliche, beispielsweise durch Schwangerschaften und Geburten“, so Prof. Schiermeier.

Ihre Experten

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Prof. Dr. Sven Schiermeier
Direktor
Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der St. Elisabeth Gruppe - Katholische Kliniken Rhein-Ruhr, Standorte Witten und Wanne-Eickel
Fon 02302 - 173 - 1323
frauenklinik@marien-hospital-witten.de
www.marien-hospital-witten.de

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Prof. Dr. Clemens Tempfer
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Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
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Valentin Menke
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St. Anna Hospital Herne
Fon 02325 - 986 - 2301
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Prof. Dr.  Joachim Noldus
Direktor
Klinik für Urologie
Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
Fon 02323 499-2301
urologie@marienhospital-herne.de
www.marienhospital-herne.de