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Ein plötzlicher und starker Abfall der Nierenfunktion innerhalb weniger Tage – pro Jahr entsteht bei etwa 50 von 1 Million Menschen eine akute Niereninsuffizienz. Besonders gefährdet sind Personen, die intensivmedizinisch betreut werden. Sie entwickeln in 25 Prozent aller Fälle eine akute Nierenschwäche. Tritt diese auf, muss sie rasch behandelt werden, denn sonst besteht Lebensgefahr.

„Eine gute Nachricht ist jedoch, dass eine akute Nierenschädigung im Gegensatz zu einer chronischen Nierenschwäche – behandelbar ist, sofern es frühzeitig erkannt wird“, erklärt Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I – Allgemeine Innere, Nephrologie, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.  Die Niere kann sich auch von einem fast vollständigen akuten Funktionsverlust erholen.

Im Gegensatz zur chronischen Nierenschwäche tritt ein akutes Nierenversagen, auch akute Niereninsuffizienz oder akute Nierenschädigung genannt, schnell und unerwartet auf. Dabei nimmt die Filtrationsleistung der Niere rapide ab und die Nierenkörperchen können geschädigt werden. Die Niere kann dann deutlich weniger Flüssigkeit filtern als in gesundem Zustand. So stauen sich verschiedene Substanzen im Blut an, die eigentlich von der Niere herausgefiltert und mit dem Urin ausgeschieden werden sollten. Dazu zählen unter anderem Harnstoff und Kreatinin – ein Stoffwechselprodukt der Muskulatur. Nimmt die Konzentration dieser Stoffe im Körper zu, kann das zu einer Harnvergiftung (Urämie) führen.

Wie entsteht akutes Nierenversagen?

  • Prärenales Nierenversagen

Das prärenale (von lat. „prae“ vor und „ren“ = Niere) Nierenversagen entsteht durch eine verminderte Durchblutung der Niere. Der Grund dafür sind meist große Verluste von Flüssigkeit, etwa durch massive Durchfälle. Auch verschiedene Medikamente können die Durchblutung der Niere beeinflussen und so ein prärenales Nierenversagen verursachen (beispielsweise die Kombination aus Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Diclofenac mit einigen Blutdrucksenkern).

  • (Intra-)Renales Nierenversagen

Ist die Nierenschwäche aus einer direkten Schädigung des Nierengewebes entstanden, sprechen Mediziner von einem renalen Nierenversagen. Eine solche Schädigung entsteht zum Beispiel durch Nierenentzündungen, wie die Glomerulonephritis, oder Gefäßentzündungen. Auch giftige Substanzen oder bestimmte Medikamente können die Nieren schädigen.

  • Postrenales Nierenversagen

Ist der Harnabfluss gestört, etwa durch Nierensteine, Tumore oder eine Vergrößerung der Prostata, kann ein postrenales (von lat. „post“ = nach) Nierenversagen entstehen.

Welche Symptome hat akutes Nierenversagen?

Ein akutes Nierenversagen beginnt häufig mit eher unspezifischen Symptomen. Dazu zählen unter anderem schnelle Ermüdung, Konzentrationsschwierigkeiten, Juckreiz und Übelkeit. Zudem kann die Harnausscheidung zurückgehen. Liegt diese unter 500 Millilitern innerhalb von 24 Stunden, sprechen Experten von einer Oligurie (von griech. „oligos“ = wenig und „ouron“ = Harn). Werden sogar weniger als 100 Milliliter in 24 Stunden ausgeschieden, handelt es sich um eine sogenannte Anurie (von griech. „an“ = nicht und „ouron“ = Harn).

Da der Körper über die geschädigte Niere weniger Flüssigkeit ausscheidet als notwendig, sammelt sich das überschüssige Wasser im Körper an. Dies kann zu Wassereinlagerungen in den Beinen, aber auch zu Wasser in der Lunge mit Atemnot führen. Da sich durch das akute Nierenversagen auch die Zusammensetzung der Blutsalze (Elektrolyte) verändert, kann die Erkrankung auch Herzrhythmusstörungen, Schwindel und einen Verlust des Bewusstseins auslösen.

Wie wird akutes Nierenversagen diagnostiziert?

Je schneller das akute Nierenversagen diagnostiziert wird, desto besser. Dazu können unter anderem die Nierenwerte genutzt werden. Denn die Werte von Kreatinin und Harnstoff steigen im Laufe der Krankheit an. Zudem verändert sich die Zusammensetzung der Blutsalze, vor allem der Kaliumspiegel. Ist dieser deutlich erhöht, kann das ein Hinweis auf ein akutes Nierenversagen sein.

 

„Liegt eine erhöhte Eiweißkonzentration im Urin vor, ist das ein Zeichen dafür, dass die Nierenkörperchen einen Schaden erlitten haben und für Substanzen durchlässig geworden sind, die sie eigentlich zurückhalten sollten“, so der Klinikdirektor.

 

Darüber hinaus untersucht der behandelnde Arzt den Urin des Patienten, um Eiweiße nachzuweisen, die normalerweise von der Niere herausgefiltert werden. „Liegt eine erhöhte Eiweißkonzentration im Urin vor, ist das ein Zeichen dafür, dass die Nierenkörperchen einen Schaden erlitten haben und für Substanzen durchlässig geworden sind, die sie eigentlich zurückhalten sollten“, so der Klinikdirektor. Zudem wird die Menge des ausgeschiedenen Urins gemessen. Zusätzlich werden die Nieren mit einem Ultraschallgerät untersucht, um herauszufinden, ob ein Nierenstein oder andere Ursachen den Harnabfluss behindern.

Ist die Ursache des Nierenversagens nach diesen Untersuchungen weiterhin unklar, kann eine Biopsie der Niere notwendig sein. Dabei werden unter Betäubung winzige Gewebeproben aus der Niere entnommen und untersucht.

Wie wird akutes Nierenversagen behandelt?

Je nach Ursache der akuten Niereninsuffizienz ist eine andere Behandlung notwendig. Bakterielle Entzündungen können beispielsweise mit Antibiotika behandelt werden. Liegt eine Schädigung der Niere durch ein Medikament vor, wird dieses reduziert oder ganz abgesetzt. Hohe Flüssigkeitsverluste können durch die Gabe von Infusionen ausgeglichen werden. Wird der Harnabfluss blockiert, muss der Verursacher entfernt werden. Liegt eine Autoimmunreaktion vor, werden antientzündlich wirkende Medikamente eingesetzt.

Hat das akute Nierenversagen die Harnproduktion vollständig lahmgelegt, werden zudem harntreibende Medikamente, sogenannte Diuretika, verschrieben. In extremen Fällen muss das Blut durch eine Blutwäsche bzw. Dialyse künstlich gereinigt werden, bis die Nieren diese Funktion wieder selbstständig übernehmen können.

Wie verläuft akutes Nierenversagen?

  • Schädigungsphase: In dieser Phase beginnt die Schädigung der Niere. Sie dauert je nach Ursache einige Stunden oder mehrere Tage.
  • Oligo- oder anurische Phase: In dieser Phase geht die Harnausscheidung schrittweise zurück, bis nur noch wenig oder gar kein Urin mehr ausgeschieden wird. Diese Phase dauert etwa zehn Tage.
  • Erholungsphase: Ist das akute Nierenversagen behandelt, beginnen die Nieren wieder vermehrt Urin zu produzieren. Diese Menge kann auf bis zu fünf Liter am Tag ansteigen. Diese Phase dauert bis zu drei Wochen.
  • Wiederherstellungsphase: In dieser Phase kehren die Nieren wieder zu ihrer ursprünglichen Funktionsfähigkeit zurück. Ein vollständiges Ausheilen der Erkrankung ist aber nicht in jedem Fall möglich. Diese Phase dauert bis zu zwei Jahre.

Ihr Experte

doc

Prof. Dr. med. Timm H. Westhoff

Klinikdirektor

Medizinische Klinik I - Allgemeine Innere, Nephrologie und Hypertensiologie, Gastroenterologie, Pneumologie
Marien Hospital Herne - Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

Fon: 02323 - 499 - 1671

innere-medizin@marienhospital-herne.de